Präexpositionsprophylaxe

Dr Friederike Ebigbo

Medizinisch geprüft von

Dr. med. Friederike Ebigbo

Letzte Änderung: 30 Aug 2019

Kann eine Ansteckung mit HIV verhindert werden?

Inhalt
Eine junge Frau erkundigt sich im Internet, ob es bereits Medikamente zur HIV Präexpositionsprophylaxe gibt.
 

Eine Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) kann nicht geheilt werden. Zwar gibt es viele sehr wirksame Medikamente, die das Virus im Körper unterdrücken können, in Phasen geschwächter Abwehr jedoch vermehrt sich das Virus wieder stärker im Körper des Infizierten. Es kommt nach und nach zu einer Zerstörung des Immunsystems, dem sogenannten „acquired immunodeficiency syndrome“ (AIDS), was letztendlich zum Tod führen kann. HIV wird hauptsächlich über ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen. Neben Kondomen gab es bisher keinen wirksamen Schutz vor einer Ansteckung. Seit Oktober 2016 ist in Deutschland das Medikament Truvada zur Vorbeugung einer Ansteckung (Prä-Expositionsprophylaxe) zugelassen.

Was ist HIV?

Das HI-Virus wurde erstmals 1983 beschrieben. Das HI-Virus infiziert nur Menschen und es gehört zur Familie der Retroviren. Infiziert sich ein Mensch mit HIV, so befällt das Virus vor allem die sogenannten CD4+-Helferzellen des Immunsystems. Zunächst kann das körpereigene Abwehrsystem die HIV-Infektion in Schach halten. Irgendwann jedoch kommt es zur vorübergehenden Schwächung des Immunsystems des Infizierten und das HI-Virus kann sich rasant weiter vermehren. Die Folge davon ist, dass das Immunsystem des Betroffenen in seiner Funktion sehr stark gestört wird. Dieser Zustand der HIV-Infektion wird AIDS genannt. Im AIDS-Stadium treten weitere Infektionen auf, die für einen Gesunden vollkommen harmlos sind, für den AIDS-Betroffenen lebensbedrohlich sein können. Zwar kann die moderne Medizin die Zeit bis zum AIDS-Ausbruch verlängern, wenn HIV-Infizierte früh genug von ihrer Infektion erfahren und sich in medizinische Behandlung begeben, jedoch ist eine HIV-Infektion bisher nicht heilbar. Die WHO geht davon aus, dass im Jahr 2018 34,9 Millionen Menschen weltweit mit HIV infiziert waren und es etwa 1,7 Millionen Neuinfektionen sowie 770 Tausend Todesfälle durch HIV gab.

Wie erfolgt die Ansteckung mit HIV?

Das HI-Virus ist in hohen Konzentrationen im Blut, in der Samenflüssigkeit (Sperma) und im Vaginalsekret enthalten. Demnach geschehen die meisten HIV Ansteckungen über den sexuellen Weg, Blutkontakte (z.B. beim intravenösen Drogenmissbrauch) oder verunreinigte Blutprodukte. Ebenfalls möglich ist eine Übertragung von einer infizierten Mutter auf ihr ungeborenes Kind während der Schwangerschaft oder der Geburt. Außerhalb der Drogenszene sind die meisten Infektionen auf ungeschützten Geschlechtsverkehr mit infizierten Partnern zurückzuführen. Die Verbreitung von HIV ist insbesondere bei Männern, die ungeschützten Sex mit Männern haben, hoch. Diese Risikogruppe wird auch als MSMs bezeichnet (Männer, die Sex mit Männern haben).

Wie kann man sich vor HIV schützen?

Um einer HIV-Infektion vorzubeugen, müssen die Übertragungswege des Virus unterbrochen werden. Blutprodukte werden auf HI-Viren getestet, bevor diese in der Medizin zur Anwendung kommen. Spritzen, Kanülen und alle weiteren Materialien, die mit Blut in Kontakt kommen, dürfen nur einmal verwendet werden. In der Drogenszene wurden zum Schutz vor HIV geschützte Räume eingerichtet, in denen Drogensüchtige Einmalspritzen gestellt bekommen, damit diese die Kanülen nicht untereinander austauschen. Vor der sexuellen Übertragung von HIV bieten Kondome („safer sex“) einen guten, wenngleich auch nicht 100 prozentigen Schutz, das es zu Anwendungsfehlern oder anderen Unfällen (Kondom gerissen, geplatzt) kommen kann. Auch Kondome sind Einmal-Produkte und sollten nach Gebrauch immer entsorgt werden. Generell sind Menschen mit vielen verschiedenen Sexualkontakten, z.B. in der Prostitution oder auf Sexpartys, und vor allem MSMs mit häufig wechselnden Sexualpartnern stärker für eine HIV-Infektion gefährdet.

Was ist die sogenannte Präexpositionsprophylaxe?

Bisher galt, dass die korrekte Verwendung von Kondomen die einzige Möglichkeit darstellte, sich vor einer sexuellen HIV-Übertragung zu schützen. Seit Oktober 2016 ist nun in Deutschland das Medikament Truvada zur sogenannten Präexpositionsprophylaxe (PrEP) zugelassen. PrEP bedeutet, dass vor Kontakt zum HI-Virus (also vor der Exposition) eine Maßnahme ergriffen wird (das Medikament Truvada wird eingenommen), um einer HIV-Infektion vorzubeugen. Die PrEP soll dafür sorgen, dass – auch wenn HI-Viren in den Körper gelangen – es nicht zu einer HIV-Infektion kommt.

Wie funktioniert die PrEP?

Bei der PrEP mit Truvada wird unterschieden zwischen einer dauerhaften PrEP oder einer anlassbezogenen PrEP. Bei der dauerhaften PrEP wird das Medikament in der erforderlichen Dosierung über einen langen Zeitraum bzw. dauerhaft eingenommen, um andauernd das Risiko für eine Ansteckung mit HIV so niedrig wie möglich zu halten. Bei der anlassbezogenen PrEP wird das Medikament kurzzeitig in ausreichender Dosierung eingenommen, um z.B. in Situationen, in denen es ein großes Risiko für eine HIV-Ansteckung gibt, einen Schutz aufzubauen. Für die PrEP gilt immer, dass der Schutz nur so lange besteht, wie das Medikament in ausreichender, korrekter Dosierung eingenommen wird.

Schützt die PrEP wirksam vor einer HIV-Infektion?

Die PrEP mit Truvada wurde vor allem in der Risikogruppe der MSMs untersucht. Eine 2016 veröffentlichte britische Studie im Journal „The Lancet“ untersuchte, wie gut die dauerhafte PrEP bei MSMs vor einer HIV-Infektion schützt. Die Teilnehmer, insgesamt 544 an der Zahl, wurden in zwei Gruppen unterteilt, eine Gruppe bekam vom Studienstart an die dauerhafte PrEP („immediate group“), die andere Gruppe sollte die PrEP erst ein Jahr nach Studieneinschluss bekommen („deferred group“). Den Männern in der Studie war freigestellt, ob sie zusätzlich ein Kondom nutzten oder nicht. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da sich früh eindeutig herauskristallisierte, dass es in der „immediate group“ weniger HIV-Neuinfektionen gab als in der „deferred group“, sodass dann alle Studienteilnehmer die PrEP bekamen. Nach Auswertung der Studie konnte gezeigt werden, dass die dauerhafte PrEP das relative Risiko einer HIV-Infektion um 86 % senken konnte.

Auch die anlassbezogene PrEP wurde an MSMs untersucht. Eine 2016 im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichte Studie konnte zeigen, dass auch die anlassbezogene, korrekte PrEP das relative Infektionsrisiko um 86 % senken konnte. Die Teilnehmer in dieser Studie erhielten zusätzlich eine Schulung zum korrekten Gebrauch von Kondomen.

Aktuell ist erst eine Studie veröffentlicht, in der die PrEP mit Truvada an Frauen getestet wurde. Diese wurde in Afrika durchgeführt, um die dortigen Frauen vor einer Infektion mit HIV zu schützen. Die PrEP war dort nicht wirksam; man vermutet jedoch, dass die Studienteilnehmerinnen das Medikament nicht richtig anwendeten. Daher wird davon ausgegangen, dass die PrEP auch bei Frauen wirksam ist.

Für wen kommt die PrEP in Frage?

Generell gilt, dass Kondome – vorausgesetzt, dass diese richtig angewendet werden – einen guten, nebenwirkungsfreien und auch preiswerten Schutz vor der HIV Infektion bieten. Die PrEP mit Tabletten ist sehr teuer und sie kann durchaus Nebenwirkungen hervorrufen. Dennoch gibt es Menschen, für die die PrEP gut geeignet ist. Dazu zählen unter anderem Personen, deren Sexualpartner HIV-positiv sind und denen der Schutz mit Kondomen nicht ausreicht. Durch einen doppelten Schutz mit Kondom plus PrEP können auch diese Paare wieder in den Genuss unbeschwerter Sexualität kommen. Ebenso ist die PrEP für diejenigen geeignet, die auch in Risikosituationen für eine HIV-Infektion aus verschiedenen Gründen kein Kondom benutzen wollen. Insbesondere Frauen trauen sich möglicherweise nicht, auf ein Kondom beim Sex zu bestehen – diese können sich mit der PrEP selbstständig, eigenverantwortlich und ohne, dass der Sexualpartner dies bemerkt, zu einem gewissen Grad vor HIV schützen.

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Medizinisch geprüft von:
Dr. med. Friederike Ebigbo Fachärztin für Frauenheilkunde in gynäkologischer Praxis

Dr. med. Friederike Ebigbo unterstützt ZAVA bereits seit vielen Jahren bei der medizinischen Text-Prüfung. 2011 schloss sie ihr Medizinstudium an der Technischen Universität München ab. Danach arbeitete sie an Frauenkliniken in Trier, Aachen und in der Schweiz – dort war sie von 2019 bis 2020 Oberärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. Dr. med. Friederike Ebigbo ist seit September 2020 Ärztin in einer gynäkologischen Praxis in Hamburg.

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Letzte Änderung: 30 Aug 2019




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